Corona vertieft die Talfahrt der M&A-Branche

Der Handelsstreit zwischen den USA und China hatte bereits 2019 bereits tiefe Spuren im M&A-Geschäft hinterlassen. Auch Europa wurde mit nach unten gerissen. So ging der Transaktionswert chinesischer Übernahmen in Europa im ersten Halbjahr 2919 um 84% zurück. Am schlimmsten traf es die hauptsächlichen „Streithansl“ der Auseinandersetzung, die sich ja nun schon seit Jahren in der Wolle liegen: zwischen 2016 und 2018 brach das Dealvolumen zwischen den USA und China um 95% ein.

Diesen tiefen Einbrüchen folgten Erholungsphasen, die je nach Region aber unterschiedlich abliefen. Ende 2019 machte sich sogar weltweit ein gewisser Optimismus breit.

Lichtblicke

Auch in einzelnen Branchen und bei großen Deals gab es immer wieder mal Lichtblicke, auch überraschend positive Wendungen, besonders zwischen USA und Deutschland. So genehmigte die US-Kartellbehörde Anfang April der Telekom nach jahrelangem Hakeln doch die Übernahme des US-Wettbewerbers Sprint (Kaufpreis 5 Mrd. US$). Im März hatte das US-Committee for Foreign Investment der deutschen Infineon bereits den Kauf des US-Wettbewerbers Cypress (Kaufpreis 9 Mrd. US$) genehmigt. Beide Transaktionen bringen unsere Player strategisch erheblich voran.

Schwindende Hoffnung

Die Hoffnung, dass sich durch Annäherungen zwischen Trump und Xing die M&A-Branche aus dem Tief erholen würde, schwand aber zuletzt vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Corona-Epidemie: viele laufende Transaktionen wurden abgesagt oder auf Eis gelegt. Kaufinteressenten vertiefen die Prüfungen und suchen nach spezifischen Corona-Folgen. Der Corona-induzierte Einbruch trifft die Automobilbranche am härtesten, gefolgt von Transport und Logistik. Stabil hält sich dagegen Pharma, die wegen positiver Erwartungen bei Impfstoffen seit dem letzten November sogar zulegen konnten.

Präsident Trump gießt mal wieder Öl ins Feuer, indem er China mit dem absurden Vorwurf konfrontiert, dass der Covid-19-Virus chinesischer Laborproduktion entspringt. Er will deshalb China verklagen.

Das lange tiefe Tal?

Mit der Länge der Krise verschlechtern sich aber die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven: statt eines „Zwischentiefs“, dem eine baldige Erholung folgen sollte, sehen die M&A-Berater zunehmend ein langes Tal vor sich. Die Käufer werden vorsichtiger, die Unternehmensprüfungen dauern länger, gehen tiefer, Dealbreaker treten in den Vordergrund. Das Finanzierungsumfeld hat sich nachhaltig verschlechtert.

Rezessionen prägt das M&A-Geschäft

Die Entwicklung von M&A wird maßgeblich von den wirtschaftlichen Perspektiven getrieben, die sich aus der Covid-19-Krise ergeben.

Studien zeigen, dass typischerweise bis zu 17% der börsennotierten Unternehmen während einer Rezession vom Markt verschwinden. Mit anderen Worten: sie gehen in Konkurs oder werden übernommen. Nur 9% gehen aus einer Rezession gestärkt hervor, weil sie das passende Geschäftsmodell haben, Durchhaltekraft, Reserven zur Übernahme schwächelnder Wettbewerber und die Fähigkeit zu schneller Neuausrichtung.

Corona: mehr als eine zyklische Rezession

Die Corona-Pandemie ist aber keine „typische“ Rezession. Ihre Wirkung dürfte deutlich stärker ausfallen – bereits jetzt wird diese Krise als die stärkste nach dem Zweiten Weltkrieg eingestuft, etwa vergleichbar mit der großen Rezession der 1930er Jahre.

Die Wirkung auf den M&A-Markt wird sowohl von der Menge der einbrechenden Unternehmen als auch vom Finanzpotenzial der Starken – insbesondere der erstarkenden Firmen – geprägt.

Pleitewelle versus M&A

Kürzliche Befragungen in der Wirtschaft ergaben, dass mit einer nie dagewesenen Pleitewelle zu rechnen ist – die damit Schnäppchenjägern eine Vielzahl von Opportunitäten zur Unternehmens-Übernahme bietet.

Nach dem starken Einbruch des M&A-Marktes stellt sich die Frage, ob sich das Transaktionsgeschäft bereits Ende diesen Jahres oder in 2021 erholen könnte.

Vorreiter wieder einmal China?

China hat – wenn man den offiziellen Daten der Regierung folgt – die Epidemie weitgehend überwunden. Während der Krise haben sich dort M&A-Projekte aufgestaut. Nach Lockerung der nationalen Beschränkungen sind die vorbereitenden Aktivitäten um M&A stark angesprungen.

Zweifellos ist China bei der Bewältigung der Epidemie weiter, Europa und die USA sind nachhaltig geschwächt, das M&A-Geschäft liegt noch am Boden. Xi Jin Ping hat dieses Ungleichgewicht erkannt und zu einer Übernahmeoffensive im Ausland aufgerufen. Speziell interessieren ihn Technologieunternehmen, die strategische Lücken Chinas ausfüllen können.

Bollwerk Deutschland?

Diese Signale wurden auch hierzulande wahrgenommen. Mit einer Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes will die Bundesregierung vor allem mit Blick auf China seinen Schutzwall erhöhen. Von der Corona-Krise geschwächte Unternehmen sollen nicht Opfer von Schnäppchenjägern werden, heißt es. Bisher musste eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegen, damit die Regierung gegen solche Übernahmen vorgehen konnte.

Demnächst soll eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ schon für eine Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium ausreichen.

Erste Lichtsignale?

Weitgehend unabhängig von der Lage im interkontinentalen Transaktionsfeld zeigen sich erste Lichtsignale am europäischen M&A-Horizont.

Die langsamen Schritte zur Reaktivierung des öffentlichen Lebens, zum Wiederanlauf von Fertigungen stimmt die M&A-Branche derzeit schon positiver. Laut einer kürzlichen Blitzumfrage unter Mitwirkung des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions bei 64 Unternehmen ergab, dass mit dem Abflauen der Pandemie mit einer deutlichen Belebung des Transaktionsgeschäftes zu rechnen ist.

Digitalisierung

Ein Haupttreiber für die Erholung liegt bei der digitalen Tansformation der Geschäfte und ihrer Prozesse. Schon während der Epidemie zeigte sich, dass die Online-Branchen massiv zugelegt hatten. Die breite Anwendung von Home-Offices und Home-Learning öffneten weiten Kreisen der Bevölkerung die Augen für die neuen Möglichkeiten durch Digital-Technologien. Sie verdeutlichten aber auch die dramatischen Rückstände in Deutschland, bei der Netz Infrastruktur, bei digital hinterlegten Lernprogrammen und vielem mehr.

Auch M&A ändert sich mit dem Einzug digital hinterlegter Prozesse.

Erst jetzt wird vielen klar, dass sich auch Verwaltungen und die Regierung der Automatisierung nicht länger verschließen können – ein Feld, auf dem Deutschland im OECD-Vergleich auf den hintersten Plätzen liegt, vergleichbar mit Albanien.

All dies will ich in weiteren Beiträgen vertieft beleuchten. All diese sind auch Felder, die ich in meinem Buch „Der Wettlauf um die Digitalisierung“ behandelt habe.