Wirtschaftskonflikt USA-China: Folgerungen für Deutschland und Europa

Laut Ifo-Institut wird Deutschland 2019 mit 276 Milliarden Dollar das vierte Jahr in Folge den weltweit höchsten Überschuss in der Leistungsbilanz ausweisen. Demnach müsste man Trump Recht geben, wenn er sagt „Deutschland ist kleiner als China, aber schlimmer“. Zwischen den USA und Deutschland ist die Leistungsbilanz jedoch in etwa ausgeglichen. Insofern hätte Trump eigentlich wenig Grund, sich so über Deutschland aufzuregen.

Auslöser des Konflikts China-USA

Aus US-Sicht liegt die Dramatik aber beim Warenhandel. Sein Zorn traf deshalb zunächst China als „Haupttäter“ mit einem anhaltenden Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA von über 400 Milliarden US$. Verstärkt wird sein Unmut wegen des Technologieraubs der Chinesen durch Erpressung bei Lieferverträgen, Mergers & Acquisitions.

China exportiert seine Probleme

China löst seine Wirtschaftsprobleme im Ausland: maßlos überdimensionierte Kapazitäten werden durch Exporte via Preisdumping ausgelastet. Als Instrument wurde die Belt & Road-Initiative entwickelt und das Programm „China 2049“, mit dem Ziel, die weltweite industrielle Führung zu übernehmen. Dies empfindet Trump als doppelte Bedrohung: China erkauft sich die Weltmarktführung auf Kosten der USA.

Schwaches Europa, kleines Deutschland

Die europäischen Wirtschaftskräfte sind zersplittert. Deutschland wird wegen seiner Exportkraft zwar als potenzieller Gegner wahrgenommen. Der Abstand gegenüber dem Schwergewichten USA und China ist jedoch allzu groß.

Große Abstände in der Digitalwirtschaft

Deutlich wird der Unterschied am Beispiel der Digitalwirtschaft. Die Gewichtsverhältnisse in diesem entscheidenden Wirtschaftssegment verhalten sich zwischen den USA, China und Deutschland wie 16 zu 4 zu 1. Der Trend unterstreicht die Dramatik: die USA gewinnen noch hinzu, China baut seine Position aus, Deutschland verliert immer noch weiter. Eine Trendumkehr ist nicht erkennbar.

Aktuelle Schlachtfelder USA-China

China sichert diese Branche durch eine „Neue Chinesische Mauer“, die nicht nur alle chinesischen Unternehmen gegen den Westen schützt sondern auch durch totale Abschottung der Informationszuflüsse. Somit ist ein „nationales Intranet“ entstanden.

Trump wehrt sich, indem er etwa Huawei vom US-Markt verbannt. Tatsächliche will er aber den US-Netzausrüster Cisco schützen, denn die sind zwar im Weltmarkt immer noch führend, bei 5G-Technologien jedoch gegenüber Huawei zurückgefallen.

Konfliktzone Mikroelektronik

Trump will auch Deutschland zwingen, Huawei auszuschließen. In Europa haben wir zwar Nokia, wären ansonsten aber von Cisco abhängig. Deutschland, hat, nach dem Verlust seiner Computer- und Kommunikationsindustrie, hier wenig zu sagen. Unser Land profitiert vom internationalen Wettbewerb. Abgeschnitten vom Netztechnologie-Führer könnten wir unseren Rückstand in der Digitalisierung nur schwer aufholen.

Konfliktzone Autoindustrie

Daneben ärgert Trump sich am meisten, wenn er an den Automarkt denkt. Deutsche Autos tragen im US-Markt Spitzenwerte bei Image und Technik. Die US-Autoindustrie ist technologisch zurückgefallen. Sie steht damit repräsentativ für die Strukturprobleme des „Rust Belt“ und ist somit ein Reizthema für eine wichtige Wählergruppe Trumps: den „Wut-Bürgern“ des mittleren Westens.

Implosionsrisiken in China

China fürchtet sich vor seinen Implosionsrisiken. Als größte Gefahr droht den Chinesen die informatorische Öffnung, das heißt das Eindringen von demokratischen Ideen und damit das Ende der heutigen „Digital-Diktatur“. Das Volk wird nur solange bereit sein, die Kontrolle und den Druck aus dem obersten Volkskongress zu ertragen, wie es ihm weiteren Wohlstandsgewinn und Sicherheit verschafft. Kippt der Zugewinn, kippt auch die Zuneigung. Dann wird es schwer werden, ein 1,4-Milliarden-Volk durch Angst in Schach zu halten.

Technische Implikationen

Das „chinesische Intranet“ wird keinen dauerhaften Bestand haben. Die Barrieren können allein aus technischer Sicht nicht dauerhaft gehalten werden. Zu nennen sind: die sechste Mobilfunkgeneration, das zukünftige Netz von tausenden niedrig fliegender Satelliten, und die künstliche Intelligenz, die bereits heute Realzeit-Übersetzungen von jeder Sprache in jede andere liefern kann: Gegen diese Instrumente hilft keine „Digitalmauer“ der Welt mehr.

Ein europäischer Traum

Europa muss sich neu erfinden, um sich auf dem Eurasischen Kontinent gegen China behaupten zu können. Der hauptsächliche Hebel liegt bei der technologischen Aufholjagd. Ein Verschließen gegenüber den USA und China würde uns selber treffen. Damit würden wir unsere technische Entwicklung verzögern und auch Gegenreaktionen provozieren, nämlich die Zurückdrängung unserer industriellen Präsenzen in China und in den USA. Aber selbst das dürfte langfristig nicht ausreichen. Auch die eigne Marktgröße zählt. Wir müssen wir uns geopolitisch neu ausrichten und Vorbehalte über Bord werfen: wir sollten über eine erweiterte EU nachdenken, die in einem äußeren Ring Russland, die Türkei und Nordafrika wirtschaftlich und technologisch eng einbindet.

Dieser Artikel ist erstmal in der FAZ vom 28.12.2019 erschienen.